MEIN ERSTER WITZ

Wenn meine Onkel, die Brüder meiner Mama, aus Sommerfeld nach Wallwitz zu Besuch kamen, war es immer lustig. Egal ob Herbert, Willi oder Richard kam, oder auch alle zusammen, es gab viel zu erzählen. Jung und schick wie sie waren, hatten sie viele Erlebnisse, vor allem mit Mädchen, die sie amüsant zu schildern verstanden. Aber auch darüber, was aus dem oder der Einen oder Anderen geworden war, wer wen geheiratet hat, wer sich mit wem verstritten hat, wie es den Eltern geht und was der Garten macht, wurde berichtet.

Das alles war auch für mich kleinen Knirps interessant und es gab nie Langeweile. Ich war sehr stolz darauf, solche Onkel zu haben. Am schönsten fand ich es jedoch, wenn meine Onkel Witze erzählten. Wenn ich dabei war, gaben sie acht, das es nur harmlose Witze waren, die sie zum Besten gaben. Sie verstanden es auch gut, mich auf die Schippe zu nehmen. Einen Spaß, den sie oft mit mir trieben und auf den ich immer wieder hereinfiel, war der: „Wernerchen, kennst du schon den neusten Witz?“ Wenn ich dann neugierig erwartend „Nein“ sagte, bekam ich zur Antwort: „Na, Wall-W i t z“.
Abends, wenn ich schon im Bett lag, wurden auch Zoten gerissen und Zweideutigkeiten vom Stapel gelassen.
Meine Mama ließ immer die Tür zum Schlafzimmer etwas auf, damit sie hörte, wenn ich mich im Bettchen aufstrampelte, um mich wieder schön zuzudecken. Dadurch konnte ich unfreiwillig mithören, was die Erwachsenen sich in der Stube zu erzählen hatten. Mein kleines Kinderhirn registrierte genau, was ich da erlauschte, wenn ich auch manches nicht zu deuten wusste.
Eines späten Nachmittags, meine Onkel waren wieder abgereist, ging meine Mama, so wie es auf dem Dorfe üblich ist, zu Nachbarsleuten zum Federn schleißen. Da ich noch klein war und sie mich nicht allein lassen konnte, nahm sie mich immer mit.
Um einen langen Tisch, auf dem ein großer Berg Gänsefedern aufgetürmt war, saßen mehrere junge Frauen und entfernten von den Federn die Kiele. Mit den weichen Federteilen füllten sie Inletts, woraus schöne kuschelige Bettdecken oder Kopfkissen entstanden.
Es war eine recht temperamentvolle Runde. Die jungen Frauen schwatzten, sangen gemeinsam lustige Lieder, scherzten und lachten. Ich stand, wie so oft, hinter meiner Mama auf ihrem Stuhl. Die Lehne gab die notwendige Sicherheit, dass ich nicht nach hinten herunterfiel. Mit einem kleinen Kamm beschäftigte ich mich sehr intensiv mit ihrer Frisur. Doch bald wurde mir dieses Spiel langweilig.

Verkleiden macht Spaß 1933.
Ich schaute in die Runde, doch niemand nahm Notiz von mir. Ich nutzte eine Gesprächspause, um auf mich aufmerksam zu machen und verkündete laut, so dass es alle hörten: „Ich kenne einen Witz!! Soll ich euch den mal erzählen?“
Meiner Mama schwante nichts gutes, aber sie konnte nicht verhindern, dass alle in der Runde aufblickten und eine der Frauen mich belustigt aufforderte: „Na, Wernerchen, erzähle doch mal deinen Witz“.
In die aufmerksame Stille hinein gab ich nun exakt wieder, was ich am Abend vorher durch die angelehnte Schlafzimmertür auf-geschnappt hatte: „Wisst ihr, was die kleinste Hängematte der Welt ist?“
„Nein, das wissen wir nicht. Weißt du es denn?“ fragte eine der Frauen neugierig
„Ja, ich weiß es, es ist die Damenbinde!!!“
„Wieso denn das?“, versuchte man mehr aus mir herauszulocken.
„Das ist doch ganz einfach. Die wird monatlich nur einmal aufgehängt, und in ihr hat nur eine Pflaume Platz!!!“
Einen Moment war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Doch dann gab es kein Halten mehr. Alle prusteten, kicherten und gackerten durcheinander.
Zuerst erschrak ich, denn ich wusste nicht genau, was ich hier angerichtet hatte. Doch dann wurde mir langsam klar: Das war ja ich, der hier alle zum Lachen gebracht hatte. Und ich genoss es, so im Mittelpunkt zu stehen.
Dass meine Mama aber vor Verlegenheit über und über rot geworden war, fiel zum Glück angesichts der allgemeinen Heiterkeit niemandem groß auf.
Doch für Dorfgespräche hatte ich zur Genüge gesorgt!
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