FLOCKI

Ich weiß nicht mehr, wie es kam, aber plötzlich hatte ich den Wunsch, einen Hund zu besitzen. Ich glaube, es war mehr der Hang zur Angeberei, als Tierliebe, was mich mit dem Gedanken spielen ließ, mir eventuell ein Tier anzuschaffen.
Als Kollege Schulz aus Groß Breesen eines Tages in unserer Modelltischlerei herumfragte: „Sagt mal, wisst ihr vielleicht jemanden, der einen kleinen Hund möchte, ich hätte billig einige abzugeben?!“, da spitzte ich die Ohren und erkundigte mich neugierig: „Weißt du, Fritz, ich hätte selbst Interesse an einem Hund. Was ist es denn für eine Rasse, ist es ein Männchen oder ein Weibchen, wie sieht er aus, wie alt ist er, wie groß wird er und vor allem, was soll er denn kosten?“
„Die Hündin hat drei Welpen geworfen. Sie sind jetzt vier Wochen alt Es sind zwei Weibchen und ein Rüde. In etwa sechs Wochen könnte ich sie absetzen“, informierte mich Fritz Schulz. „Wenn du willst, Werner, dann bringe ich sie in den nächsten Tagen mal mit und du kannst sie dir ansehen. Es sind Mischlinge zwischen Spitz und Terrier, schwarz-weiß gemustert. Sie werden nicht sehr groß. Such dir einen aus. Wenn dir einer gefällt, ich lass ihn dir für 10,00 Mark.“
Später erfuhr ich, dass der Wurf von einem Nachbarn stammt. Als Kollege Schulz erfuhr, dass der Nachbar die Welpen ersäufen wollte, übernahm er die Hündchen und verhökerte sie an Interessenten. Immerhin hat ihm der Deal ohne jedes Risiko über 30,00 Mark eingebracht Aber so war der Fritz! Er verstand es wie kein anderer, aus allem für sich Kapital zu schlagen.
Zwei Tage später kam Fritz mit einer großen schwarzen Tasche zur Arbeit, in der leicht verängstigt die drei kleinen Hündchen kauerten. Als sie aus ihrem dunklen Verlies befreit waren, stromerten die niedlichen Kerlchen, in ihrer unsicher tapsigen Art lustig anzusehen, die Schwänzchen unternehmungslustig in die Höhe gereckt, recht munter in unserer Werkstatt herum, beschnupperten alles, ließen sich von den Kollegen streicheln und pieselten unbefangen kleine Pfützen auf den Fußboden.
Ich entschied mich für das Hündchen, welches ganz weiß, und nur dessen linkes Ohr schwarz gefärbt war. Es war der Rüde, der sich in der kleinen Meute schon recht energisch durchzusetzen verstand und gegenüber den beiden anderen, wenn nötig knurrend, seine Vorherrschaft behauptete.
Nach der Entwöhnungszeit bekam ich von Fritz den kleinen Racker, dem er inzwischen auch den Schwanz hatte kupieren lassen.
In meiner Windbluse verstaut transportierte ich das kleine weiße Bündelchen Hund behutsam nach Hause. Glücklich drückte ich das kuschelig-warme Wesen, dessen Näschen neugierig schnuppernd aus dem Kragenausschnitt herausschaute, an meine Brust.

Flocki, mein neuer Freund
Meine Mutter fiel aus allen Wolken, als ich plötzlich einen Hund mit nach Hause brachte und ihr erklärte, dass er mir gehöre.
Erst hatte sie Vorbehalte und machte mir ärgerlich Vorwürfe, dass ich ohne ihr Einverständnis einfach einen Hund gekauft hatte. Als sie jedoch das Tierchen streichelte, welches ihr entgegen gelaufen kam und freudig mit dem, um einen Schwanzwirbel zu kurz geratenen Stummelschwänz-chen wedelte, verflog ihr Ärger und sie fügte sich in das Unvermeidliche.
„Niedlich ist er ja“, gestand sie ein, als sie ihm ein Schüsselchen mit Milch hin-stellte, die er gierig auf-schlapperte. „Wie heißt er denn?“, fragte sie schon etwas versöhnlicher.
„Mama, er hat noch keinen Namen, hast du nicht einen Vorschlag?“, versuchte ich, weiter ihr Interesse an meinem neuen Freund zu wecken.
Es war gar nicht so einfach, einen passenden Namen zu finden. Namen, die uns einfielen, wie ,Wolf‘, ,Bello‘, Bobbi‘ oder ,Ajax‘ passten besser zu großen Hunden oder waren uns zu affig.
Endlich kam meiner Mutter ein akzeptabler Gedanke.
„Weißt du, Werner, das kleine weiße Knäuel von Hund sieht aus wie eine Schneeflocke, wie wäre es denn mit ,Flocki‘?“
„Die Idee ist großartig, Mama, ich finde, der Name ist treffend. Flocki passt zu dem Hündchen, so werden wir es nennen“, bekundete ich meine Zustimmung.
„Flocki, komm mal her!“ rief ich ihn gleich mal versuchsweise, um zu sehen ob mein kleiner Freund darauf reagiert. Es war nicht zu fassen! Als ob er seinen Namen akzeptierte und mich verstanden hatte, kam Flocki schwanzwedelnd zu mir gelaufen und leckte meine Hand.
Flocki war noch nicht Stubenrein. Deshalb gingen meine Mutter und ich anfangs in kürzeren Abständen mit ihm ,Gassi‘. Dennoch passierte es in den ersten Tagen, dass Flocki hin und wieder sein kleines Geschäftchen in irgend einer Ecke der Küche verrichtete. Er bekam dann einen Klaps und wurde mit seiner Schnauze in die Pfütze gestupst. Seiner Schandtat bewusst, verkroch er sich dann für eine Weile in einer Ecke. Tierpsychologen halten heute eine solche drakonische Maßnahme für völlig ungeeignet, bei uns hatte sie aber Erfolg.
Nach Feierabend und an den Wochenenden beschäftigte ich mich in den ersten Wochen viel mit meinem kleinen Hundefreund. Wir tobten draußen herum und ich brachte ihm allerlei Kunststückchen bei. Wenn ich mit Flocki an der Leine durch die Stadt schlenderte, wurde ich von meinen Freunden bewundert und beneidet. Es war schön, ein Tier als Freund zu besitzen!
Die meiste Arbeit hatte jedoch meine Mutter mit dem Hund. Und am Ende wurde Flocki ihr Liebling.
Doch wenn ich später zu meiner Mutter zu Besuch kam, war es immer Flocki, der sich am meisten freute und mir glücklich winselnd die Schuhe bepinkelte.
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