LANDESWASSER-SEESPORTSCHULE

Mitte 1951 wurde es zur Gewissheit, die FDGB-Landesschule Brandenburg in Bestensee wurde aufgelöst und in eine Kulturschule der Gewerkschaft umgewandelt.
Diese Entscheidung des Bundesvorstandes hatte Konsequenzen. Der bisherige Schulleiter, Kollege Fischer, und sein Stellvertreter, Kollege Schawohl, wurden versetzt. Dafür kam eine neue Schulleiterin.
Auch unter uns Lehrern gab es Veränderungen. Wir mussten zu Kadergesprächen in den Bundesvorstand. Dort wurde geprüft, ob wir den veränderten Anforderungen noch genügen und bleiben könnten. Wenn nicht, bekamen wir eine neue Funktion übertragen, oder mussten uns eine andere Arbeit suchen.
Nach meinem Überprüfungsgespräch eröffnete mir der Sekretär für Schulung des Bundesvorstandes, dass mein Wissen und Können für die neuen, gehobenen Anforderungen leider nicht ausreicht und sich der Bundesvorstand deshalb von mir als Gewerkschaftslehrer trennen muss. (Ich hatte zum Beispiel eine Frage nach einem Ausspruch von J. W. Stalin in seinem Werk über die Sprach-wissenschaften nicht exakt beantworten können)

Eveline Neumann
Da ich zwischenzeitlich von der Partei zu einem halbjährigen Sonderlehrgang für Propagandisten nach Ludwigsfelde delegiert worden war, der am 1. Mai 1952 begann, war der Bundesvorstand des FDGB so großzügig, mich bis dahin noch an der Kulturschule als Lehrer zu belassen.
Für mich war also klar, nach dem Besuch der Parteischule im Oktober 1952 war meine Laufbahn als Gewerk-schaftslehrer beendet und ich musste mich nach etwas Neuem umsehen.
Der Zufall kam mir dabei zu Hilfe.
In dem letzten Seminar, welches ich leitete, befand sich auch Eveline Neu-mann aus Guben als Studentin. Sie war von der Landeswasser-Seesportschule der FDJ in Altruppin delegiert worden, die erst vor Kurzem vom Zentralrat der FDJ eingerichtet worden war. Dort war sie als Wirtschaftsleiter und als ehrenamtlicher BGL-Vorsitzender tätig.
Als Gubnerin wusste Eveline, dass ich Mitglied der Marine-HJ war und deshalb Kenntnisse auf dem Gebiet der Seemannschaft besaß.
Da an der Landeswasser-Seesportschule noch Mangel an qualifizierten Lehrern herrschte, sprach sie mich an: „Mensch Werner, das wäre doch was für dich! Hast du nicht Lust, bei uns als Lehrer anzufangen?“
Ich war Feuer und Flamme! Ihr Vorschlag kam meinen Interessen sehr entgegen. Deshalb sagte ich freudig zu.
In Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend wurde daraufhin festgelegt, dass meine Tätigkeit an der Landeswasser-Seesportschule am 1. Mai 1952 beginnt, ich von dort für die Zeit des Parteischulbesuches mein Gehalt bekomme und danach am 1. November meine Arbeit aufnehme.
Kopie aus meinem Sozialversicherungsausweis mit den entsprechenden Eintragungen
Da ich nicht die nötige Zeit hatte, um mich persönlich an der Schule anzumelden, nahm Eveline, entgegen allen Regeln, mein Arbeitsbuch und meinen Sozialversicherungsausweis mit, trug meine neue Arbeitsstelle ein und schickte mir meine Dokumente per Post wieder zurück
Ich jubelte!!! Doch es sollte leider anders kommen.
Wie üblich, wurden am Ende des Lehrganges an der Parteischule mit jedem Lehrgangsteilnehmer Kadereinsatzgespräche geführt.
Wie ich meinte, war das für mich nur noch ein ganz formaler Akt, denn mein Einsatz an der Landeswasser-Seesportschule war doch festgelegt. Um so erstaunter war ich, als mir von den Genossen unterbreitet wurde, dass für mich nach dem Lehrgang der Einsatz in der Kreisleitung der SED in Bad Freienwalde als Kabinettsleiter vorgesehen sei!
Ich protestierte!!!!
„Genossen, ich bin an der Landeswasser-Seesportschule der FDJ in Altruppin als Lehrerassistent angestellt. Ich bekam während des Lehrgangs von dort mein Gehalt. Und ich will auch dorthin!!“, versuchte ich meinen Standpunkt zu begründen.
„Diese Vorstellung kannst du dir abschminken“, raubte mir der Genosse, der mit mir das Kadergespräch führte, brutal jede Illusion, „seit Ende Juli gibt es das Land Brandenburg nicht mehr. Die DDR ist jetzt in Bezirke eingeteilt. Als Bürger von Frankfurt gehörst du deshalb zum neuen Bezirk Frankfurt und damit bist du als Genosse Mitglied der Bezirksparteiorganisation Frankfurt der SED. Deshalb entscheiden auch wir über deinen zukünftigen Einsatz!“*
„Und wie soll ich mich gegenüber der Seesportschule verhalten?“, fragte ich noch etwas aufmüpfig.
„Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Das erledigen wir. Du musst nur in deinem SVK-Ausweis die Beendigung deiner ,Tätigkeit‘ dort eintragen lassen!“, war die lakonische Antwort.
Was blieb mir weiter übrig, als Parteidisziplin zu üben und in den sauren Apfel zu beißen.
Ich war nur ganz froh darüber, dass ich nicht dazu gezwungen war, persönlich zur Seesportschule zu fahren, um dort die arbeitsrechtlichen Dinge zu erledigen. Mein Arbeitsverhältnis wurde in profaner Weise über den Postweg beendigt.
So kam es zu dem Kuriosum, dass ich meine Arbeitsstelle, die Landeswasser-Seesportschule der FDJ in Alt-Ruppin, persönlich nie zu Gesicht bekam, von der ich ein halbes Jahr lang mein Gehalt bezog. Damit ich wenigstens wusste, wie die Seesportschule aussah, an der ich gerne Lehrer geworden wäre, hat mir Eveline zum Trost ein paar Bilder geschickt, die ich hier abbilde.

Das Hauptgebäude der Landeswasser- Seesportschule


Das Motorboot „Junge Garde“


Segelkutter


Damit endete formell, staatlich sanktioniert, meine Verbindung zu Guben. Faktisch aber ist sie bis heute nicht abgebrochen, denn über den Kontakt zu meinem Vater, der bis zu seinem Tod in Guben wohnte, meiner Tante Frieda und meiner Tante Grete, zu guten alten Freunden und Bekannten, wie Wolfgang Daul, Horst Geisler, Paul Krieger, Ernst Döhring, Helmut Haschzschick, Christel Kärgel,, Hans Joachim Lucki, Elfriede Damm, Eveline Schmidt, geb. Neumann, Erwin Pöschel, Ursel Kunst, Helmut Schultke und Margitta und Heinz Kaczorowski, zu Mitarbeitern städtischer Einrichtungen, wie Frau Olscher von der Stadtbibliothek, Herrn Pilz vom Museum, Herrn Materne vom Gubener Heimatbund und noch viele andere, bin ich stets mit meinem „Guben“ auf das Engste verbunden geblieben.
Aber ein neuer Abschnitt meiner Entwicklung begann: Meine Tätigkeit als hauptamtlicher Parteifunktionär der SED im Bezirk Frankfurt, Oder

Die erlebten Episoden aus dieser Zeit werden in einem neuen Buch zu lesen sein.

* In der DDR trat am 23. Juli 1952 das Gesetz über die „Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe“, sowie die Aufhebung der Länder und die Neugliederung der DDR in 14 Bezirke und 217 Kreise in Kraft.
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