WIE ICH GEBOREN WURDE

In der Unendlichkeit des Kosmos, als eine der unzähligen Galaxien, bewegt sich auch die Galaxie der Milchstrasse, der unsere Sonne angehört, durch den Raum. Sie ist eine diskusähnliche Scheibe mit, für irdische Verhältnisse ungeheurer Ausdehnung. Sie besteht aus über 100 Milliarden Sternen und großen Massen interstellarer Materie.
Unsere Sonne mit ihrem Planetensystem steht weit vom Mittelpunkt entfernt am Rande der Milchstrasse, aber in der Nähe der Symmetrieebene.
Damit man sich in etwa eine Vorstellung von der räumlichen Ausdehnung machen kann, sei hier vermerkt: Bei einer Umlaufgeschwindigkeit von 220 Km in der Sekunde braucht unsere Sonne rund 230 Millionen Jahre für einen Umlauf, und mit ihr auch unser Planet Erde.
Angesichts dieser Ausmaße ist das Leben auf unserer Erde nur ein Augenblick in der Ewigkeit des Universums.
Was ist da das Leben eines einzelnen Menschen?
Ein Tropfen im Ozean der Menschheit. Unbedeutend als einzelner Tropfen, aber doch von Bedeutung als Bestandteil des ganzen Ozeans. So ist das Leben ein ständiges Entstehen und Vergehen, dem der Einzelne unentrinnbar unterworfen ist, auch wenn seine Lebensumstände noch so verschieden sein mögen.
Vielleicht war es diese Ungewissheit, warum ich neuer Erdenbürger, Gustav, August, Werner Krause mit Namen, mich so sträubte, auf die Welt zu kommen.
Von der Hebamme, als Geburtshelferin im wahrsten Sinne des Wortes, musste ich mit der Zange geholt werden.

Ich kam nicht auf die Welt wie Tausende und Abertausende anderer Kinder es normalerweise tun; mich mussten sie herauszerren aus der dunklen, schützenden Höhle des Bauches meiner Mutter.
So vermischten sich die Schmerzensschreie meiner Mutter, einer jungen Frau Anfang der Zwanzig, die ihre erste Geburt erlebte, mit meinem ersten lebensäußernden Schrei, dem man wohl nicht anhörte, ob er ein Protest-, Freuden-, oder vielleicht doch mehr ein Angstschrei gewesen war.
Der Ort, an dem ich am Morgen des 26. April 1928 das Licht der Welt erblickte, war die Mühlenstrasse 137 in Sommerfeld, einer Kleinstadt in der Niederlausitz, die hauptsächlich durch die Tuchindustrie geprägt war.
Es geschah in der Wohnung des Tischlers August Jannick, der dort mit seiner
Ehefrau Agnes und seinen Kindern, drei Söhnen und vier Töchtern, lebte.
Obwohl die Entbindung nicht so glatt verlief, wie das normal der Fall ist, war es im Hause Jannick nichts außergewöhnliches, sondern doch mehr Routinesache. Als alles vorbei war, ich gebadet und gewickelt neben meiner noch erschöpften Mama lag, kehrte im Hause wieder Ruhe ein.
Erst jetzt durfte mein Papa, der Schuhmacher Otto Krause aus Atterwasch, sich seinen ersten Sohn und Stammhalter ansehen. „Mein Gott, ist der klein!“, war alles, was mein Vater herausbrachte, nachdem er etwas unsicher und linkisch das kleine Bündel angeschaut hatte, aus dem mein rotes, schrumpeliges und sicher hässlich verschrobenes Gesichtchen heraus schaute. Noch einen mitfühlenden Blick und einen flüchtigen Kuss für seine Frau und schon war er wieder verschwunden.
Hier lag ich nun, ein neuer Erdenbürger, am Anfang seines Lebens, von dem niemand wusste, was es ihm bringen würde.
Aber eines war unausweichlich: Entweder ich gab mich mit dem zufrieden, was das Schicksal für mich bereit hielt, oder ich nahm mein Schicksal in die eigenen Hände und gestaltete mein Leben nach meinen Vorstellungen. Anpassen oder selbst gestalten, für eines von beiden würde ich mich stets entscheiden müssen. Einen Zwischenweg gibt es nicht.
Wenn man etwas wirklich nicht zu ändern vermag, was ja auch vorkommen kann, dann ist es gut, wenn man es mit kühler Gelassenheit und vor allem mit Humor hinnehmen kann. So bin ich denn auch an die Gestaltung meines Schicksals herangegangen, und ich kann einschätzten: Mit meinem lebensbejahenden Optimismus bin ich eigentlich immer gut zurechtgekommen!


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