SCHÖNSCHRIFT

Ich habe auch heute noch eine furchtbare Klaue. Es fällt mir manchmal schwer, besonders, wenn es mal schnell gehen musste, das von mir geschriebene selbst zu entziffern. Natürlich kann ich, wenn ich mich dazu zwinge, auch leserlich schreiben. Aber das kostet mich große Anstrengungen. Ich habe eben, wie man so schön sagt, eine schwere Hand.

Obwohl wir in der Schule auch Schönschrift übten, wurde zu meinem Unglück meine Schrift statt schöner immer mieser. Dementsprechend waren auch die Noten in meinen Zeugnissen, sie verschlechterten sich von Jahr zu Jahr.
Ich war anfangs darüber auch ganz unglücklich, doch nach und nach gewöhnte ich mich an das Unvermeidliche und beugte mich meinem Schicksal. Wenn sich die Lehrer auch die Haare rauften, ihre Bemühungen blieben vergeblich. Das musste am Ende auch mein Klassenlehrer, Herr Simon, erfahren, der es in der 8. Klasse noch einmal versucht hatte, mein Schriftbild, wenn auch nicht schöner, so doch wenigstens leserlicher zu gestalten.
Von ihm hatte ich den Auftrag erhalten, neben den Schularbeiten täglich auch eine halbe Seite Schönschrift anzufertigen und ihm zur Begutachtung vorzulegen. Das war von ihm als Übung gedacht und in keiner Weise böse gemeint. Ich betrachtete diese Aufgabe aber als Schikane von ihm und fasste sie als Strafarbeit auf. Da bei mir der innere Antrieb fehlte, wurde auch nichts Gescheites daraus. Wenn ich aus der Schule kam, hatte ich nicht mal richtig Lust, meine Hausaufgaben, geschweige denn, eine halbe Seite Schönschrift zu machen. Da ich aber dem ‚Zwang‘ des Lehrers ausgesetzt war, ihm täglich die halbe Seite zu zeigen, so machte ich sie jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn in der Schule. Das Fazit: Die Schrift wurde noch schlechter. So ist sie bis heute: zwar leserlicher aber nicht schöner. Leider!
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