SALBEITEE

Meiner Großmutter in Sommerfeld ging es gesundheitlich sehr schlecht. Auf Empfehlung ihres Arztes trank sie deshalb morgens, mittags und abends immer eine Tasse Salbeitee. Sie trank die bittere Medizin in kleinen Schlückchen und verzog dabei keine Miene. Vielmehr tat sie so, als wäre es ein ganz besonders leckerer Tee, den sie da trank.

Oma und Opa Jannick,
links daneben Tante Trude
mit Mann und Tochter Irmchen

Lüstern schaute ich kleiner Knirps auf das würzig duftende, honiggelb schimm-ernde Getränk, das meine Großmutter da, wie mir schien, so genießerisch schlürfte. Mir lief das Wasser im Munde zusammen. Gar zu gern hätte ich auch einmal davon probiert.
Doch aus gutem Grund ließ mich Großmutter nicht von ihrem Tee trinken.
Ich war gekränkt.
Doch der Wunsch, von dem ‚wunderbaren‘ Getränk zu kosten, war stärker. Ich schmiegte mich eng an meine Großmutter, und indem ich sehnsüchtig auf die halbvolle Tasse schaute, bettelte ich: „Meine herzallerliebste Oma bitte, bitte, nur ein ganz, ganz, kleines Schlückchen.“
„Na gut, Junge“, ließ sie sich endlich erweichen, und mit der Mahnung, „aber wirklich nur einen ganz kleinen Schluck!“, reichte sie mir die Tasse.
Endlich am Ziel meiner Wünsche, nutzte ich die Gunst des Augenblicks und nahm, die Mahnung meiner Großmutter missachtend, einen recht großen Schluck von dem vermeintlich wohlschmeckenden Getränk. Obwohl mir das bittere Zeug die Tränen in die Augen trieb, schluckte ich es todesmutig hinunter. Dann aber rannte ich, so schnell ich konnte, zum Eimer und trank gleich aus der Kelle in langen Zügen das kühle klare Wasser, um den grässlichen Geschmack wieder los zu werden.
Aus Spaß fragte mich meine Großmutter danach noch öfter: „Na Werner, hat dir mein Tee geschmeckt? Wenn du willst, kannst du noch einmal einen Schluck abhaben!“
Zum Gaudi aller antwortete ich dann jedes Mal, wobei ich angewidert mein Gesicht verzog: „Dein Tee hat mir sehr gut geschmeckt, Oma, aber nee, nee, jetzt habe ich gar keinen Durst!!!“
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